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Sonntag, 11. Mai 2008

Kolumne 11: Es ist Sommer

Ich liege in der Hängematte in unserem Hinterhofgärtchen mitten in der Stadt Baden. Ein Strassenmusikant pfeift und singt abwechslungsweise, er begleitet sich auf seiner Gitarre selber und lässt dazu zwei Marionetten tanzen. Ich weiss es, da ich vorher an ihm vorbeispaziert bin. Die S-Bahn fährt ein, ich kenne das Geräusch genau, kann es aber nicht beschreiben. Ein leichtes Lüftchen weht mir angenehm den Frühsommerduft der Stadt entgegen. Ab 25 Grad Celsius spricht man von einem Sommertag - hat mir heute der Wetterfrosch auf DRS 1 beigebracht. Während die Kirche Viertelvor schlägt, die Spatzen zwitschern und die SBB-Lautsprecher-Frau die Zugseinfahrt des Regionalexpress nach Aarau ansagt, rieche ich Rauch. Irgendwo wird grilliert – es ist Sommer.

Mittwoch, 6. Februar 2008

Kolumne 10: Winter im Mittelland

Ich sitze in der S12 von Winterthur nach Baden und schaue zum Fenster hinaus. Es ist dunkel. Es ist immer dunkel: am Morgen, wenn ich aufstehe, und am Abend, wenn ich nach Hause fahre. Dazwischen schimmert der Tag grau in grau. „Ein Kaltluftsee bedeckt das Mittelland und die Hochnebeldecke liegt auf rund 900 Meter über Meer.“, meldete heute das Radio DRS. „Unter der Nebeldecke minus 1 Grad Celsius und auf 1'500 Meter 4 Grad plus, dank der Sonne.“ Ein Freund von mir ist zurzeit Skilehrer im Engadin. - Ein leichtes Unbehagen nistet sich in meinem Magen ein. Was mache ich in diesem Nebelloch? Ich arbeite. Im kleinen Machiavelli steht geschrieben, dass es die grauen Mäuse sind, die es am weitesten bringen in der Business-Welt. Na dann nichts wie los, es gibt keinen besseren Ausbildungsplatz auf der Erde als das neblige Mittelland. Ich habe sozusagen Top-Trainingsverhältnisse für das Top-Management. Ausserdem waren meine Chancen noch nie so gut, entdeckt zu werden: Ich bin am vergrauen, fühle mich Eins mit der schwarz-grauen, Aktenkoffertragenden Zürcher-HB-Businessfamilie und die UBS sucht sicher schon bald einen neuen CEO.

Montag, 7. Januar 2008

Der kleine Baumwollfaden

Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der hatte Angst, dass es nicht ausreicht, so, wie er war: "Für ein Schiffstau bin ich viel zu schwach", sagte er sich, "und für einen Pullover zu kurz. An andere anzuknüpfen, habe ich viel zu viel Angst und Hemmungen. Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht, dazu bin ich zu blass und farblos. Ja, wenn ich aus Lurex wäre, dann könnte ich eine Stola verzieren oder ein Kleid.
Aber so?! Es reicht nicht! Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Niemand mag mich - und ich mich selbst am wenigsten." So sprach der kleine Baumwollfaden, legte traurige Musik auf und fühlte sich ganz niedergeschlagen in seinem Selbstmitleid.
Da klopfte ein Klümpchen Wachs an seine Tür und sagte: "Lass dich doch nicht so hängen, du Baumwollfaden. Ich hab' da so eine Idee: Wir beide tun uns zusammen. Für eine Weihnachtskerze bist du zwar als Docht zu kurz und ich hab' dafür nicht genug Wachs, aber für ein Teelicht reicht es allemal. Es ist doch viel besser, ein kleines Licht anzuzünden, als immer nur über die Dunkelheit zu jammern!"
Da war der kleine Baumwollfaden ganz glücklich, tat sich mit dem Klümpchen Wachs zusammen und sagte: "Nun hat mein Dasein doch einen Sinn." Und wer weiß, vielleicht gibt es in der Welt noch mehr kurze Baumwollfäden und kleine Wachsklümpchen, die sich zusammentun könnten, um der Welt zu leuchten?!

Mal sind wir wohl wie der kleine Baumwollfaden – dann wieder gelingt es uns das Klümpchen Wachs zu sein. Mögen wir immer das finden, was wir brauchen!

In diesem Sinne ein gutes Neues Jahr!
Herzliche Grüsse
Jonas

Samstag, 8. Dezember 2007

Kolumne 09: Weihnachtsbeleuchtung

Es ist kurz vor zwölf. Die kalte Bise bläst mir ins Gesicht, während ich müde unter der neuen Badener Weihnachtsbeleuchtung in Richtung meines warmen Zuhauses marschiere. 10'203 farbige Glühlampen – wie ein Nebelschwaden im Herbststurm fliegen Gedankenfetzen durch mein Gehirn: Das dunkle Ungeheuer „Stromlücke“ lauert, die Windkraft flackert und die Atomkraft tickt. Die 10’203 Glühlampen haben im nicht gedimmten Zustand eine Leistung von 123 kW; das sind über 60 MioStar-Wasserkocher, die dauernd Wasser aufheizen. Damit liesse sich die Limmat von 7.00000 auf 7.00004 Grad Celsius aufwärmen. Ist das nun viel oder wenig Energie?

Über dem Schlossbergplatz schwebt eine Dezembernachtsonne aus vielen dutzend Glühlampen. Diese Lichtkugel macht mich besinnlich; schön wie das Zusammenspiel von vielen kleinen Glühlampen ein grösseres Ganzes ergibt. Aber innovativ sind Glühlampen nicht. LED brauchen 4-mal weniger Energie und leben 50-mal länger. So zusagen eine 200-fache Effizienzsteigerung, die man verschenkt hat, und das in der „European Energy Award Gold“-Stadt Baden.

Samstag, 13. Oktober 2007

Kolumne 08: Die böse Politik

Jaja, ich weiss ich weiss irgend jemand muss der Prügelknabe und das Prügelmädchen der Nation sein - schlagt auf sie, die bösen Politikerinnen und Politiker, sie sind falsch und machen schlimme Sachen. Und ihr wo ihr euch im System suhlt und planscht, freiwillig gefangen seid in der Trägheit der Wärme eures Bettchens oder noch besser als unabhängige selbstverantwortliche Weltenbürgerinnen und Weltenbürger im globalen Kapitalismus mittreibt, derem Gesetz ihr unterworfen seid, wo ihr nichts machen könnt, ausser es selber möglichst zu euren Gunsten zu nutzen. Ja ihr seid die Guten. Wer ist ihr? Wenn mich nicht alles täuscht, gehöre auch ich dazu, denn die Rollen des Individuums in der Gesellschaft sind vielfältig und sich abzugrenzen gehört wohl zum Definitionsprozess des Individuums vor allem im aktuellen Zeitalter der individuellen Freiheit. Aber wie steht es mit der Verantwortung? Gegenüber wem? Was heisst gutes Leben?

Montag, 24. September 2007

Kolumne 07: Wahltheater

Die Badenfahrt ist vorbei - zurück bleiben strohblonde Haare und eine heisere Stimme. Letzteres werde ich hoffentlich bald verlieren, die neue Haarfarbe gefällt mir jedoch immer besser. Anfangs hatte ich eine kleine Identitätskrise: So spazierte mein Sandkastenfreund am Samstagmorgen seelenruhig an mir vorbei - ohne mich nur eines Blickes zu würdigen. Ich erholte mich jedoch schnell und antwortete auf die obligate Frage, warum ich mir die Haare blondiert habe, routiniert: „Ich spiele an der Badenfahrt in einem Theater einen blonden Teufel.“ Einen blonden Teufel? Jedenfalls waren alle mit dieser Antwort zufrieden. Vielleicht liebe ich das Theater deshalb, weil es nicht vernünftig sein muss: Schein & Sein verschmelzen und Gegensätze werden zur Einheit. Manchmal kommen mir die Wahlen wie ein grosses Theater vor.

Freitag, 21. September 2007

Kolumne 06: Ferien ohne Handy

Ach wie gut, dass niemand weiss... In einer Stunde fahre ich mit meiner Freundin in die Ferien. Das ist ja noch nichts Besonderes. Aber - ich lasse das Handy zu Hause! Für Sie ist das vielleicht auch nichts Besonderes, aber für mich schon. Seit ich ein Handy habe begleitet es mich überall hin. Sei es auf einen Viertausender, auf ein Kanufährtchen auf die Reuss, ans Meer, in Sitzungen und Ausstellungen - ja sogar ins Konzert und ins Kino. Manchmal wird es zwar stumm geschalten, aber es kann dann immer noch surren. Neun Tage nicht erreichbar zu sein und das als Präsident der Grünen. Naja, ich muss selber ein wenig lachen über mich, eigentlich ist das ja keine Zeile wert; was könnte denn schon so Wichtiges passieren, dass es ohne mich nicht ginge? Nichts. Ich freue mich jedenfalls auf die nächsten neun Tag, die mir neben der Hoffnung auf Erholung und schöne Erlebnisse, schon jetzt die „Befreiung von meinem Grössenwahn“ gebracht haben.

Donnerstag, 20. September 2007

Kolumne 05: Aus der Stille...

Aus der Stille wächst die Kraft zur Schöpfung: Soeben habe ich drei wunderbare Schnee-Sonne-Berg-Tage hinter mir. Es war ein Traum, auch wenn sich die Südhänge erschreckend schneefrei grünlichbeige präsentierten. Neben der Piste fehlte die Unterlage, so dass jedem Schwung die Gefahr eines Steinkusses drohte. Die Klimaerwärmung ist in den Bergen deutlich spürbar. Die alte Wirtin im Restaurant meinte: „Hiir isch der Winter no nie chon ond er chunt au nime.“ Ich frage mich, wie es wohl hier aussieht, wenn ich mal so alt bin wie sie. Im Unterland macht es mir nicht aus, wenn der Winter zu Hause bleibt, aber in den Bergen gehört Schnee einfach dazu. Am letzten Tag erwischt mich dann noch einer dieser heimtückischen Steine. Beim Sturz muss die Sonnenbrille im Rucksack daran glauben und irgendwann im Frühling wird wohl ein Wanderer mein Handy finden. Tja, aus der Stille wächst die Kraft zur Schöpfung.

Samstag, 15. September 2007

Kolumne 04: Energien regenerieren

Trotz Klimaerwärmung ist es kalt geworden draussen. Ich drehe die Heizung ab und ziehe die Wollsocken an, welche mir meine Grossmutter selig für die RS gestickt hatte. Lustig, meine Grossmutter wusste doch, dass ich schon immer die Schweizer Armee abschaffen wollte. Warum... ach egal, jedenfalls sind die Wollsocken superwarm und superpraktisch. Schnell unter die Decke, denn es ist 02:00 Uhr und die Batterien sind überleer: „Idiot, wenn du eine Initiative zur Förderung regenerativer Energien lancieren willst, darfst du deine eigenen Energien nicht übernutzen.“

Freitag, 14. September 2007

Kolumne 03: Familientreffen in der Waldhütte

Wer kennt sie nicht, die Familientreffen am Sonntagnachmittag in der Waldhütte? Müller-Fest, Fricker-Treffen, Peterhans-Fäscht und wie sie alle heissen. Es ist doch immer wieder interessant, was sich in einem Jahr getan hat. Und dann die „Jungen“: Sie erzählen von ihrer Weltreise, zeigen ihre neuen Tätowierungen, Piercings oder – und das ist immer speziell spannend – bringen potentiell neue Familienmitglieder mit. So auch dieses Jahr, als meine Cousine einen hübschen Togoer vorstellte. Deutsch kann er zwar noch nicht aber französisch; und so kramen alle ihr verstaubtes Schulfranzösisch hervor. „Ääh“ und „Oui“ sind nun die häufigsten Wort und nach Fleisch vom Grill, Salat-Büffet, Wein, Dessert und Kaffee ist man sich beim Aufräumen einig: Moustapha ist eine echte Bereicherung für die Familie; er hat sich super integriert, das Fest aufgelockert und eine fröhliche Stimmung verbreitet. So einen hätte man gerne in der Familie. – Was mir meine Cousine vertraulich zuflüsterte: Moustapha ist ein „Sans-Papier“.

Mittwoch, 12. September 2007

Kolumne 02: WM-Nostalgie

Rätsel: Ein Chinese und zwei Taubstumme sitzen an einem Tisch. Sie kenne sich nicht. Fotos von Männern flattern über den Tisch, ein Handschlag und der Deal ist perfekt. Was spielt sich hier ab? A) Eine Al Capone-Szene in Chicago. B) Ein Headhuter-Deal in Peking. C) Eine Panini-Fussballbildli-Tauschbörse in Zürich. - Richtig geraten, das Sammelfieber hat auch mich gepackt: Nur noch 58 Bildli, dann habe ich das Heft voll. „Die Schweiz ist Weltmeister im Bildli sammeln“, verrät mir ein Mann mit Krawatte, „10 Bildli pro Kopf, auf Platz 2 folgt Italien mit 2 Bildli pro Kopf. Da sieht man, wo Geld vorhanden ist.“ Sagt es und holt einen Riesenstapel Doppelte aus seinem Aktenkoffer. Er sammle halt für seine beiden Kinder, schmunzelt er mir zu. Am Nebentisch tauschen ein 9-jähriges Mädchen und ein Afrikaner in Lederjacke und Goldkette. Berührungsängste gibt es nicht und die Schweizer Spieler sind alle sehr beliebt, egal aus welchem Kanton sie kommen.

Dienstag, 11. September 2007

Kolumne 01: Menschlichkeit bringt Lebensqualität

Ich stehe am Ausgang einer Metro-Station in Moskau. Vor mir ein Schild mit komischen Schriftzeichen und dahinter eine achtspurige Strasse, auf der sich einsam zwei Autos aneinander vorbeischieben. Es ist warm und trotzdem fühle ich mich irgendwie verloren. Ah endlich, da kommt Pjotr, ein Student den ich im Internet kennen gelernt habe. Er begrüsst mich herzlich und eine Stunde später sitze ich an einem reich gedeckten Tisch mitten in einer sechsköpfigen russischen Familie. Ich verstehe kein Wort, aber die Stimmung ist gut und ein Lachen versteht jeder. Am nächsten Morgen lege ich ein Schweizer Sackmesser auf den Tisch und mache mich auf Erkundungstour. Trotz Regen und kühlem Wind wirkt die Stadt heute viel wärmer als gestern.

Dienstag, 20. März 2007

Schnee

Möge der Schnee die Ruhe und Besinnlichkeit wecken, aus deren Mitte Leben fliesst.